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Zuerst das Mantra der Digitalisierung. Aber was kommt dann?

Bürokratische Prozesse, sinkende Absatzzahlen, neue Player auf dem Markt, schwierige Zukunftsperspektiven. Es wird zunehmend komplexer, ein Unternehmen in den heutigen Zeiten effektiv zu führen. Es ist oft kaum möglich, alle erforderlichen Felder gleichzeitig zu bestellen. Doch früher war natürlich trotzdem nicht alles besser, denn durch die Limitierung der technischen Möglichkeiten der Vergangenheit hatten Unternehmen nicht annähernd die Chancen, sich in einem Maß weiterzuentwickeln, wie es mittlerweile möglich ist.

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Die Herausforderungen der Digitalisierung bringen viele Chancen, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, bisher analoge und zeitaufwendige Prozesse zu automatisieren und Geschäftsmodelle für die Zukunft zu gestalten. Zu Beginn der Reise stehen verständlicherweise zuerst wirtschaftliche Faktoren, die als unerfreuliche Messziffern akuten Handlungsdruck erzeugen. Die zunehmende GlobalisierungInnovationsdruck oder der War für Talents, um nur einige Faktoren zu nennen, führen zwangsläufig dazu, sich mit neuen Technologien auseinandersetzen zu müssen. Hinzukommen neue Innovationen am Horizont, die – neben der schon zur Verfügung stehenden Technik – erneut alles noch einmal grundlegend verändern könnten: QuantencomputerKünstliche Intelligenz, Neurotechnologie, die Vernetzung von Menschen, Maschinen und Produkten erreicht in den nächsten Jahren einen neuen Höhepunkt.

Das neue Herz der Arbeitsgesellschaft

Bei der vierten industriellen Revolution, auch kurz Industrie 4.0 genannt, wird die Informations- und Kommunikationstechnologie nicht mehr bloß ein nützliches Werkzeug sein. Sie wird zum Herzen der gesamten Arbeitsgesellschaft selbst transformieren und in einer nie zuvor möglich gewesenen Geschwindigkeit, Komplexität und Präzision unsere Prozesse und Ergebnisse optimieren: Modulare Produktionsstraßen für individualisierte Produkte in Kleinauflagen. Kunden, die mit ihren Wünschen von Anfang ein Produkt mitgestalten. Ein optimaler Warenfluss auf Basis lernender Algorithmen, die effektive Auswertung und Verwendung von umfassenden Kunden- und Maschinendaten im Rahmen von Big Data und Blockchain. Oder ein ressourcenschonender Einsatz von Material bei Produkten inklusive Recycling unter ganzheitlicher Betrachtung des Lebenszyklus. Es gibt viele Bereiche, wo die technische Entwicklung mit cyber-physischen Systemen zu massiven Umwälzungen führen wird.

Zeit für eine neue Rollenverteilung

Aber all das wird auch unsere gesamte Gesellschaft nachhaltig verändern. Da ein immer größerer Anteil an Automatisierung in den Wertschöpfungsketten erreicht wird und Roboter/Maschinen in Verbindung mit KI zunehmend selbstständig lernen können, ihre Tätigkeit zu optimieren, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sich der (arbeitende) Mensch wie auch das Unternehmen in unserer Gesellschaft neu definieren müssen.

Welche Rolle wird der Mensch in der Arbeitswelt der Zukunft spielen, wenn der überwiegende Anteil der Unternehmen sich digitalisiert hat? Welche Rolle spielt das Unternehmen? Werden die Menschen die Algorithmen steuern oder werden die Algorithmen letztlich die Menschen steuern? Wird es überhaupt noch genug Arbeit für alle geben? Was ist die genaue Definition von Arbeit in der Zukunft?

Kritische Stimmen prognostizieren ein düsteres Bild der Arbeitszukunft, in dem „Maschinen den Menschen die Arbeit wegnehmen“. Science Fiction-Filme tun ihr übriges, um diese Befürchtungen zu nähren. Oft führt dieses Szenario zu einem Bild des vom Lebensziel entwurzelten Menschen, der künftig ohne Sinn fremdgesteuert sein Leben fristen muss. Das ist sicherlich übertrieben, denn es werden natürlich auch völlig neue Branchen und Berufsbilder entstehen, die dringend Mitarbeiter benötigen. Tatsächlich ist es aber auch unter Experten umstritten, welchen Stellenwert der Mensch im Unternehmen noch haben kann, wenn eines Tages der überwiegende Teil der Produktion vollautomatisiert sein wird.

Algorithmen, die unsichtbare Staatsform

Ohne in Dystopie zu verfallen: Hypertechnologie und Superintelligenz werden mittelfristig einen so enormen Stellenwert im Arbeitsalltag wie auch in der Gesellschaft erlangen, dass sie Schritt für Schritt zu einer unsichtbaren, weltweiten, sekundären Staatsform transformieren könnten. Das Analysieren unsere Daten und Errechnen unserer Wünsche und Verhaltensweisen birgt zweifellos ein enormes Potenzial. Das alles könnte z.B. unser Leben bequemer, sicherer und uns auch glücklicher machen, uns in der Arbeitszeit mehr erreichen lassen und zukünftig Informationen und Produkte in nahezu Echtzeit zur Verfügung stellen.

Doch natürlich gibt es auch Risiken, die bedeuten, den Menschen aus der Rolle des Vordenkers nahezu zu entfernen: Die fortschreitend ausgebaute Überwachung des beruflichen wie öffentlichen Lebens, die zunehmend optimierte Auswertung der Leistung des Arbeitnehmers, der Erwartungsdruck errechnete Kennzahlen pünktlich zu erreichen, die Überlegenheit der Algorithmen unsere Arbeit zu planen und uns zu verplanen. Man könnte auch sagen: Der Preis dafür, dass alles immer verfügbar ist, ist immer verfügbar zu sein.

Die Schattenseite der Selbstoptimierung

Es wird deshalb Mitarbeiter geben, die zuvor überaus leistungsfähig waren, aber bei diesem „Wettrüsten“ irgendwann nicht mehr mithalten können. Denn der Mensch kann sich nicht annähernd so schnell optimieren, wie sich Computergenerationen weiterentwickeln. Umso wichtiger wird es deshalb für Unternehmen, kreatives Vordenken und interdisziplinäres Arbeiten zu fördern. Modernste Technik wird selbstverständlich immer nötig sein, um den Anschluss an den Markt nicht zu verlieren.

Aber sie darf nur ein Befähiger sein und sollte nicht zur quasi allmächtigen Religion emporsteigen. So gibt es Stimmen, die eine Umwandlung unserer derzeitigen Wissensgesellschaft in eine Gesellschaft des Verstandes fordern, um die Gefahr einer finalen narzisstischen Kränkung zu vermeiden, die unsere (mentale) Existenz durch überlegene KI letztlich überflüssig machen würde. Es bleibt elementar, dass wir nicht nur noch auf errechnete Ziele reagieren, sondern uns ermöglichen, jederzeit aktiv mitzugestalten. Selbstbestimmung wird somit zur Voraussetzung für Glück und Wohlstand.

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Das Kapital unserer Existenz

Das kann nur gelingen, wenn man neben der Modernisierung der Technik auch eine Modernisierung der Kultur auf die To-Do-Liste schreibt. Als Unternehmer, als Politiker sowie als Privatperson. Es geht um eine neue Definition unserer Werte, die jenseits der obligatorischen Optimierung des ökonomischen Profits liegt. Der Erhalt der Souveränität eines Unternehmens ist engmaschig mit den Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft verbunden. Dies beinhaltet sowohl den Schutz von Ressourcen als auch unserer visionären Energie, dem Kapital unserer Existenz. Wenn Arbeitsabläufe, Produktionen und Prozesse zukünftig fast vollständig durch intelligente Maschinen erledigt werden, ist die nachhaltige Zukunftsgestaltung die einzige sinnstiftende Arbeit, die dem Menschen bleiben wird. Es ist demnach die Sinnfrage zu stellen, wie wir in der Zukunft leben möchten.

Wir brauchen 3 Erden

Der Schutz von Mensch, Natur und Umwelt wird dabei die zentrale Rolle spielen, auch in der Berufswelt. Denn es wird der Menschheit keine Wahl bleiben, wenn sie schon bis 2050 auf unglaubliche 9,7 Milliarden Erdbewohner angewachsen ist und dies bis 2100 sogar 10,9 Milliarden Mitmenschen bedeutet (Quelle: UN). Schon jetzt tritt der Earth Overshoot Day jedes Jahr früher ein, 2019 bereits am 29. Juli. An diesem Tag hat die Menschheit mehr Ressourcen verbraucht, als die Erde im gesamten Jahr erneuern kann. Zum Vergleich: 1987 lag dieser Stichtag noch auf dem 19. Dezember, eine mehr als beunruhigende Entwicklung. Nur auf Deutschland gerechnet fände der EOD sogar bereits am 3. Mai statt. Mehr als 3 Erden wären nötig, würde die gesamte Weltbevölkerung auf dem Konsumniveau Deutschlands leben (Quelle: Umweltbundesamt).

All das bringt uns zu der Frage, wohin uns grenzenloses Wachstum und bedingungslose Technologisierung führen werden. Es mag zwar kurzfristig lukrativ sein, „egozentrische“ Unternehmensziele zu verfolgen. Die langfristig erfolgreichen Geschäftsmodelle, mit der größten Akzeptanz in der Bevölkerung und dauerhafter Relevanz am Markt, werden jedoch zukünftig andere sein. Denn nach der Digitalisierung wird es eine große „Werte-Sozialisierung“ brauchen.

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